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Leseschlau in Sambia

Lehrmittelautorin besucht ihre «Read-Smart-Kinder»


Medienmitteilung_Read Smart_Gruppenfoto, Fotokredit: Ursula Rickli

2021 adaptierte die Solothurnerin Ursula Rickli ihr Lese- und Schreiblehrmittel Leseschlau für Sambia. In diesem Sommer konnte sie die Klassen zum ersten Mal vor Ort besuchen.

90 Kinder knieen gruppenweise im Sand und legen Lauttafeln aus. Sie bilden damit ein Wort: Fulu. Das bedeutet «Schildkröte» in der sambischen Sprache Cinyanja. Mit dabei auf dem Pausenplatz in Ost-Sambia ist Ursula Rickli – 13 Stunden Flug und weitere sieben Stunden Autofahrt hat die Schweizer Lehrmittelautorin hinter sich, um bei «ihren» Read-Smart-Kindern zu sein. So heisst das Lehrmittel der 72-Jährigen in Sambia. «Ich freue mich sehr, ein Wunsch geht in Erfüllung.» Es sei unbeschreiblich, was in ihr vorgehe, nachdem sie ein Jahr lang unentgeltlich Tag für Tag für die Entwicklung der Read-Smart-Materialien gearbeitet habe und nun miterleben könne, wie die Kinder mit den Lauttafeln lesen lernen. «Bei meinem ersten Besuch in einem sambischen Schulzimmer hatte ich Tränen in den Augen vor Rührung. Ich wurde umarmt und sofort herzlich aufgenommen.»

Eine Methode – viele Sprachen
Zuerst als Primarlehrerin, später als Dozentin und mit ihrer Lehrmittelreihe Leseschlau begleitete Ursula Rickli Kinder beim Lesenlernen. Auf Deutsch, Rätoromanisch, Italienisch und Fulfulde (Kamerun) existiert ihr Leselehrgang bereits, der auf einer gezielten Lautschulung basiert. Das mit dem Worlddidac-Award prämierte Leseschlau ist bekannt – so bekannt, dass Isabelle Hürst die Lehrmittelautorin Ursula Rickli Ende 2020 kontaktiert. Hürst arbeitet in der personellen Entwicklungszusammenarbeit und engagierte sich für die Schweizer Organisation Comundo bei der sambischen Partnerorganisation Impact Network. Ihre Idee: Die Lautschulung für Sambia zu adaptieren und damit die Alphabetisierung voranzutreiben. «Einen weiteren Lehrgang in einer afrikanischen Sprache zu entwickeln, reizte mich enorm», erzählt Rickli. Und die Voraussetzungen waren sehr gut: Cinyanja ist eine lautgetreue Sprache – jeder Laut lässt sich eindeutig einem Buchstaben oder einer Buchstabengruppe zuordnen.

Fortlaufende Implementierung
Als Erstes benötigte Ursula Rickli Wörter in Cinyanja, die ihren genauen Vorgaben entsprechen. Diese sammelte Isabelle Hürst zusammen mit dem akademischen Team von Impact Network. Nun konnte Rickli mit der Entwicklung der Übungsmaterialien beginnen. Anhand von Fotos aus Sambia zeichnete die Illustratorin Ursula Koller zu jedem Wort das passende Bild. Parallel zu Ursula Ricklis Entwicklungsarbeit begannen zwei Pilotschulen mit dem Unterricht. «Ich fand es sehr professionell, wie Isabelle die Lehrpersonen und deren Coaches während mehreren Tagen in dieses Lehrmittel eingeführte», erinnert sich Rickli. «Anschliessend begleitete Isabelle die Coaches wöchentlich an die Pilotschulen, um sie auf die selbständige Begleitung des Programms vorzubereiten und in Erfahrung zu bringen, welche Änderungen das Programm noch bedurfte. So entstand ein Erstleselehrmittel, das dem lokalen Kontext angepasst ist und von einem sambischen Team weitergetragen wird.» An Ricklis Schreibtisch hängen noch heute die Fotos, die ihr Isabelle Hürst von den Kindern schickte, die mit den Lauttafeln lernen. «So hatte ich immer vor Augen, für wen ich arbeite. Dass nun das Projekt selbstständig läuft und ausschliesslich von Sambierinnen und Sambiern betreut wird, freut Rickli sehr.

Griffbereit in Kisten verpackt
Mindestens 50 Kinder werden in einer Klasse unterrichtet, in einer Klasse sind es gar 116 Schülerinnen und Schüler. Da die Nachhaltigkeit eine grosse Rolle spielt, gibt es keine Arbeitsblätter zum Kopieren.
Alle Materialien werden laminiert, so dass sie immer wieder verwendet werden können und mehrere Jahre überdauern. Die Materialien werden griffbereit in Kisten aufbewahrt. Ausnahme sind die drei Hefte, mit denen jedes Kind schreiben lernt.

2025 fusionierte Impact Network mit der britischen Organisation PEAS. Zu den acht Schulen von Impact Network kamen 40 staatliche Schulen dazu. Der Erfolg habe sich rumgesprochen, sagt Rickli. In den staatlichen Abschlusstests schneiden Read-Smart-Kinder mit Abstand am besten ab. Gemäss Impact Network lesen und schreiben deren Schülerinnen und Schüler 22 Monate früher als Kameradinnen und Kameraden derselben Klassenstufe an anderen Schulen. «Ohne Schulung darf man Read Smart nicht unterrichten», erklärt die Lehrmittelautorin. «Daher erhalten nun auch die staatlichen Lehrpersonen eine Ausbildung in der Read-Smart-Methode und werden im Unterricht von Coaches betreut. Das kommt am Ende den Kindern zugute.» Zudem werde das Projekt wissenschaftlich begleitet.

Nie müde für neue Ideen
Auf ihrer zweiwöchigen Reise durch Ost-Sambia kommt Ursula Rickli aus dem Staunen nicht mehr heraus. «Es ist sensationell, was diese Lehrpersonen mit so wenig Material mit so vielen Kindern in einer Klasse zustande bringen.» Die mitreissende Powerfrau hat einen regelrechten Energieschub erlebt. «Ich war nie müde und wollte jede Sekunde geniessen – und das ist mir gelungen». Zurück in der Schweiz bleibt ihr nicht viel Zeit für eine Verschnaufpause: Als Nächstes sollen die drei Werkstätten von Hörschlau, einem Lehrmittel, das phonologische Bewusstheit in der Vorschule fördert, auf Cinyanja adaptiert werden.

Herausgeber und Beteiligte
Leseschlau ist ein Lehrmittel von Ursula Rickli mit Illustrationen von Ursula Koller. Seit 2025 ist es im Lehrmittelverlag St.Gallen erhältlich. Impact Network ist eine sambische Nichtregierungsorganisation, die von der Schweizer Entwicklungsorganisation Comundo unterstützt wird.

Kontakt

Die Autorin steht für Rückfragen und Interviews zur Verfügung:

Ursula Rickli
Autorin Leseschlau und Read Smart
Tel: 079 602 92 45 / E-Mail: urickli@bluewin.ch

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